Kirchliche Jugendarbeit

Ein Ort für professionelle Trainingsmethoden? (Rüdiger Sweere)

Der Autor ist Jugendreferent in der Katholischen Kirche und beschreibt die professionelle Begleitung und Beratung von ehrenamtlichen und hauptberuflichen Teams, die im Feld der Jugendpastoral tätig sind. Er beschreibt, wie er Tools für die Arbeitssituationen in einem Teamcoaching und in einer Gruppenleiterausbildung maßschneidert und einsetzt und welche Wirkungen er dadurch erzeugt.<
METALOG® training tools: SysTeaming, Tower of Power, Pfadfinder

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Einführung

Die Arbeit mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen innerhalb der katholischen Kirche hat sich in den vergangenen Jahren sehr verändert. Die klassische Gruppenstunde hat durch Ganztagsangebote an Schulen in der Primarstufe, in der Sekundarstufe 1 und auch durch die verkürzten Gymnasialzeiten eine sehr starke Konkurrenz bekommen. Wenn dann neben diesen Angeboten und Verpflichtungen noch ein Sportverein und/oder Musikunterricht besucht wird, dann fehlt den potenziellen Gruppenkindern schlichtweg die Zeit für ein regelmäßiges wöchentliches Treffen. In meiner Tätigkeit als Jugendreferent in der katholischen Kirche spielen die Jugendlichen natürlich die zentrale Rolle. Ohne sie geht nichts. Dabei wird immer von der Jugend von heute geredet. Aber gibt es sie überhaupt? Und wenn ja, wie sieht sie aus?

Gibt es sie wirklich: die Jugend von heute?

Die Jugend von heute gibt ein sehr diffuses Bild ab. Junge Menschen aus verschiedene Strömungen an Jugendkulturen, in verschiedene Milieus aufgeteilt, mit unterschiedlichsten Bildungsabschlüssen strömen in eine Gesellschaft, bei der die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander geht. Umso schwieriger ist aus den unterschiedlichsten Studien eine Essenz zu filtrieren, welche „die Jugend von heute“ tatsächlich beschreibt.

Eine vernünftige, erwachsene Jugend

Die heutige Jugend präsentiert sich sehr erwachsen, kontrolliert und vernünftig. Mit einem klaren Ziel vor Augen geht sie ihren eigenen Weg, wobei eine hohe Bildung als eine Voraussetzung für eine gelingende Karriere gesehen wird, die dann zu einem hoffentlich guten Einkommen führt. Die Gradlinigkeit der Jugendlichen setzt in unserer schnelllebigen Gesellschaft eine große Anpassungsbereitschaft, persönliche Flexibilität und Pflichtbewusstsein voraus. Zielstrebigkeit und Ehrgeiz bestimmen die Lebensentwürfe. Die Mehrzahl der Jugendlichen glaubt tatsächlich, dass sie ihre beruflichen Wünsche erfüllen können. Nicht ohne Grund stehen Castingshows bei Jugendlichen hoch im Kurs, die in besonderem Maße Zielstrebigkeit und Ehrgeiz von den Kandidaten verlangen: gepaart mit Teamfähigkeit sowie einer kleinen Prise Rücksichtslosigkeit – fertig ist eine gefakte Realität.

Die jungen Menschen sehnen sich nach Halt und Geborgenheit, wollen ihre Zukunft und ihren Weg dorthin aber selbst in der Hand behalten. Traditionelle Werte werden wieder angestrebt und hochgehalten, so wie das Leben in einer Großfamilie: wo der Respekt vor den Alten zählt, jeder seine Aufgaben hat, die Ordnung und Disziplin bedingen. Pünktlichkeit zu den Mahlzeiten und Transparenz in den Unternehmungen mit Freunden ermöglichen eine gemeinsame Teilhabe der Generationen untereinander, bieten somit Sicherheit.

Die Jugendlichen wappnen sich frühzeitig für kommende Aufgaben. Da für viele die Klarheit des Kommenden noch fehlt, nehmen sie alles, was sie bekommen können, mit und besuchen Zusatzkurse und Arbeitsgemeinschaften, engagieren sich in ihrer Freizeit und lernen noch eine weitere Sprache oder ein Instrument. Sie sammeln Zertifikate und Bescheinigungen, verbunden mit der Angst, es könnte noch etwas fehlen. Das persönliche Portfolio wird mehr und mehr ausgebaut und ein persönlicher Bauchladen der Zusatzqualifikationen entsteht. Aus diesem kann dann je nach Interessenlage und notwendigem Nutzen die passende Fortbildung der jeweiligen Situation zugeführt werden.

Ein Graben durchzieht die junge Generation

In ihrem ständigen Streben nach Bildung und Abschlüssen kommen nicht alle Jugendlichen mit, einige bleiben auf der Strecke. Die Angst der Jugendlichen, nicht mitzukommen, ist derart groß, dass sich der Blick schnell auf „die Loser“ richtet – diejenigen, die von Sozialleistungen leben müssen. Mit dem wenigen, was sie z. T. an persönlichen Qualifikationen mitbringen, um sich am Arbeitsmarkt zu platzieren, haben sie immerhin noch mehr als die am ganz unteren Ende der Erfolgsleiter.

Den Verlierern der Gesellschaft wird nicht Mitleid oder Solidarität entgegengebracht, sondern Verachtung und Schmähung. Häufig auch von Jugendlichen, die sich selbst als eher links oder als solidarisch charakterisieren. Diese Distanzierung von den Verlierern ermöglicht es ihnen, die Illusion einer Kontrolle über das eigene Schicksal aufrechtzuerhalten. Man muss nur den Nachweis erbringen, dass die Loser selbst schuld an ihrem Los sind. Durch die Vermeidung der Fehler, die diese machen, kann sich das eigene Leben nur positiv gestalten – glauben sie. Insgesamt haben die Jugendlichen, ausgehend von ihrer Erfahrung, das Bild einer Zwei-KlassenGesellschaft entwickelt. Die Welt ist klar geteilt in Winner und Loser, in Superstars und Hartz IV, in Gut und Böse.

Ein Ort für professionelle Trainingsmethoden? (Rüdiger Sweere)

Jugend bleibt engagiert

Bei allem Streben nach schulischen und beruflichen Zielen, bei der Sehnsucht nach Zukunft und Sicherheit und einem neuen Kommunikationsverhalten bleiben aber auch traditionelle Jugendthemen bestehen. Gut die Hälfte der Jugendlichen engagiert sich ehrenamtlich, setzt sich für gesellschaftliche oder soziale Zwecke ein oder ist in einer Initiative für Umwelt oder Soziales aktiv.

In ihren eigenen Freundeskreisen erleben Jugendliche Gleichaltrige als freundlich und hilfsbereit. Der soziale Kontext im (Sport-)Verein, im Ehrenamt oder in der Clique schafft Beheimatung und Geborgenheit.

Die Jugend von heute – es gibt sie!

Sie ist die Jugend unsere Zeit. Die Jugend von heute gibt kein diffuseres Bild ab als in der Vergangenheit. Sie besetzt für sich andere Themen als noch vor 20 Jahren, sie kommuniziert anders und verwendet andere Begrifflichkeiten, um sich und ihre Situation zu beschreiben. Die Jugend bleibt eine heranwachsende Generation, die ein, die ihr Lebensgefühl prägt, sich ausprobiert und gesellschaftlich positioniert.

Mit Sorge sollte der Riss durch die Jugend beobachtet werden: Bildungs- und sozialpolitisch müssen wir der Schere zwischen Arm und Reich, zwischen Jugendlichen mit und ohne Schulabschluss bzw. Ausbildungsstelle entgegenwirken.

Wir können versuchen, mit dem Tempo der Jugendlichen Schritt zu halten, oder wir lernen, sie aus einer gesunden Distanz zu beobachten und wertschätzend zu begleiten. Genau das mache ich bei meiner Arbeit mit den Jugendlichen

Die professionelle Begleitung ehrenamtlicher Jugendarbeit

Meine Tätigkeit als Jugendreferent in der katholischen Kirche umfasst u. a. die Beratung und Begleitung von ehrenamtlichen und hauptberuflichen Teams, die im Feld der Jugendpastoral tätig sind. Hierzu zählen ehrenamtliche Jugendliche, die an „ihrem Kirchturm“ Angebote für Kinder und Jugendliche planen, gestalten und durchführen, aber auch Leiter/-innen von Beratungsstellen, Offenen Türen und anderen Institutionen in kirchlicher Trägerschaft. Die Fragestellungen innerhalb der Beratungsprozesse sind sehr weit gefächert und reichen von kreativer Themenfindung hin zu verfestigten Kommunikationsstörungen innerhalb von Mitarbeiterteams. Als deren externer Begleiter kann ich distanziert beobachten und die Teams wertschätzend begleiten. In Konflikten kommt mir die Rolle des Vermittlers zu, in Beratungssituationen bin ich Ideengeber und Wegbereiter.

Bei verschiedenen Fortbildungen und Firmenevents habe ich den Einsatz von Teamspielen erlebt, mal als Teilnehmer, mal als Beobachter. Mein Interesse war geweckt und so entschied ich mich dazu, mich als Trainer für EOL (ErfahrungsOrientierte Lernmethoden) ausbilden zu lassen. Seither wende ich in fast jeder Beratungssituation EOL an und: Es wirkt!

Im Arbeitsfeld der kirchlichen Jugendarbeit treffen sehr unterschiedliche Personen und Strukturen aufeinander. Ehrenamtliche, meist hochmotivierte und sozial sehr kompetente Jugendliche treffen auf feste kirchliche Strukturen und teilweise überlastete hauptberufliche Mitarbeiter. Ein Spannungsfeld, in dem die Beratungsarbeit vor großen Herausforderungen steht. Als Jugendreferent helfe ich dabei, die kirchlichen Grundlagen der Jugendpastoral durch Beratung und Begleitung der Ehrenamtlichen mit umzusetzen. Bei der Vielzahl der handelnden Charaktere ist die Auffassung, was kirchliche Jugendarbeit ist und was nicht, sehr weitläufig. So bedarf es häufig der Verwendung einer Bildsprache, damit ein gemeinsamer Nenner gefunden werden kann.

Ein Ort für professionelle Trainingsmethoden? (Rüdiger Sweere)

Praxisbeispiel SysTeaming: Balance-Board zum Thema Teamkultur

Ich möchte von einem für mich als Trainer besonders bemerkenswerten Einsatz von SysTeaming1 berichten. Hierbei habe ich unter den SysTeaming Figuren nummerierte Klebepunkte angebracht und alle Holzfiguren in ein Säckchen gefüllt. Dieses ließ ich herumgehen und jeder Teilnehmer durfte eine Figur ziehen. Der Reihenfolge der Nummern nach wurden nun die Figuren auf das Balance-Board (so hatte ich die Aufgabe betitelt) gestellt. Zum Absetzen der Figur sollte jeder ein Statement zu einer oder mehreren der folgenden Fragen abgeben: „ Was bringt dich bei der Arbeit in Balance? Was tust du dafür, dass das Team in Balance ist?“ oder „Was brauchst du vom Team, um in Balance zu kommen?“. Nach und nach wurden die Figuren gesetzt und die Teilnehmer gaben sehr persönliche Statements ab, bis zu dem Punkt, als ein Teilnehmer nach seiner Aussage zur Fragen was ihn selbst in Balance bringe, seine Figur weit außen an den Rand stellte mit den Worten „Aber Chaos tut uns auch gut!“. Ein Raunen ging durch die Gruppe, das Brett wackelte bedenklich ... Zum Ende hin schafften es die restlichen Teilnehmer dann doch noch das SysTeaming Brett wieder in die Waagerechte zu bringen.

Die Aufgabe war nur ein kurzer Impuls, die Folgen aber waren grandios. In der folgenden Kaffeepause versammelten sich mehrere Teilnehmer mit ihren Kaffeetassen ganz ungezwungen um das Brett und schoben und testeten die Figuren und die Möglichkeiten eines ausgeglichenen Teams. Im Hintergrund die unterschiedlichen Aussagen, die schriftlich festgehalten worden waren.

Element im LernprojektBezug zur realen Welt
Figuren Handelnde Mitarbeiter/-innen im Team
Position der Figur auf dem Brett Wunsch nach Harmonie innerhalb des Teams
Statement beim Abstellen der Figur Wunsch für den zukünftigen Umgang im Team
Platte Bezugsrahmen für das Miteinander

Die Teilnehmer diskutierten die Aussagen, schoben Figuren hin und her und einigten sich am Ende darauf, dass zukünftig innerhalb des Betriebes eine Gruppe von 4 bis 6 Mitarbeitern/ Mitarbeiterinnen sich um die Entwicklung einer neuen Teamkultur kümmern solle. Das Ziel sollte es sein, durch eine neue Sitzungs- und Begrüßungskultur einen wertschätzenderen Umgang miteinander zu erreichen. So hat eine kurze Übung einen mehrjährigen Prozess in Gang gesetzt. Auch mehrere Jahre nach dieser Veranstaltung arbeitet die Gruppe „Teamkultur“ weiter und achtet behutsam auf das Füreinander und das Miteinander. Ritualisierte informelle Begegnungspunkte wurde in den Büroalltag installiert: Ein Welcome für alle Mitarbeiter nach den Sommerferien und zum neuen Jahr, die von möglichst allen Kollegen/Kolleginnen unterschriebene Genesungskarte bei längerer Erkrankung eines Kollegen und ein Strauß Blumen mit einer Willkommenskarte für neue Teammitglieder sind hier nur ein paar Beispiele. Geburtstage oder Jubiläen werden miteinander gefeiert, ohne dass dabei personelle Ressourcen überstrapaziert werden.

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Praxisbeispiel SysTeaming: Teamcoaching mit Blick über den Tellerrand

Wenn ich als Trainer und Jugendreferent zu einer Beratung gerufen werde, dann treffe ich meist auf Personen, die im kirchlichen Umfeld sozialisiert wurden und mit Gruppenprozessen bestens vertraut sind. Aber auch in solch hochqualifizierten Teams kommt es immer wieder zum Stillstand, zu Sprachlosigkeit, aber auch zu offenen Konflikten. Aber meist gibt es ein gemeinsames Interesse an der Sache, das die Teammitglieder motiviert, an sich und der Problemstellung zu arbeiten.

Einen Einstieg in den Beratungsprozess mit einer standardisierten Kartenabfrage zur Ermittlung der genauen Problemstellung und anschließender Visualisierung an der Moderationswand kann ich mir hier normalerweise sparen.

So geschehen in vergangenen Jahr. Ich wurde von einem ehrenamtlichen Leitungsteam aus der Pfadfinderschaft genau deshalb angefragt. Eine erste Beratung hatten sie ergebnislos abgebrochen, da die verwendete Methode der Kartenabfrage nicht zielführend war.

Ich traf auf ein vierköpfiges Team, das innerhalb des Jugendverbandes die Leitung für eine Region übernommen hatte. Zu ihren Aufgaben gehört die Vorbereitung und Durchführung von satzungsbedingten Ausschüsse und Sitzungen sowie die Bündelung und teilweise auch die Umsetzung der durch die Mitglieder eingereichten Ideen und Wünsche.

Das Team beschrieb seine Situation als sehr unbefriedigend, da die Arbeitsbelastung zu hoch, die zeitliche Reserve der Teammitglieder ausgereizt und kein Rückhalt in der Region vorhanden war. Hinzu kamen persönliche Differenzen zwischen einigen Teammitgliedern. Es lief nicht richtig rund und keiner kannte den genauen Grund.

Nach einem kurzen Vorgespräch entschied ich mich für den Einsatz von SysTeaming2 und ging folgendermaßen vor: Ich startete mit einer kurzen Einschätzung zur jeweils durch die Mitglieder durchschnittlich aufgewendeten Zeit für die ehrenamtliche Tätigkeit. Danach gingen wir die einzelnen Aufgaben des Leitungsteams durch und schätzten auch hier die benötigte durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit. Im zweiten Schritt sammelten wir Hindernisse und Unterstützer in der Arbeit des Teams, die sowohl strukturell als auch personell bedingt sein konnten. Auch diese wurden anschließend gewichtet. Nun ordnete ich die im ersten Teil gesammelten Zeiteinheiten den unterschiedlich großen SysTeaming Figuren zu und tat dies ebenso mit den „Hindernissen und Unterstützern“.

Erst jetzt holte ich die vorbereitete Platte und den Fuß des SysTeaming hervor. Die Platte hatte ich zuvor mit Klebeband geviertelt und erläuterte dem Team die Unterteilung der Felder: Die jeweils gegenüberliegenden Felder symbolisierten Hindernisse und Unterstützer und die anderen beiden die aufgewendete Zeit und die Aufgaben des Leitungsteams. Hinzu kam der Hinweis, dass der symbolisierte Inhalt das Team umso stärker belastet, je weiter eine Figur nach außen hin abgesetzt wird. So wurden die Figuren den Feldern zugeordnet.

Manch Zeitfresser stand fast in der Mitte, da alle Teammitglieder diesen mit Freude umsetzten und er ihnen besonders wichtig war. Kleine wiederkehrende Hindernisse, z. B. das Auftreten von Dauernörglern bei Versammlungen, bekamen eine hohe Intensität und wurden weit an den Rand gestellt. Im Laufe des „Beladens“ der Platte schwankte diese stark hin und her. Verblüffend war aber für alle das Ergebnis: Das Verhältnis von Arbeitsaufwand und zur Verfügung stehender Zeit war im Gleichgewicht, was das Team nach einer kurzen Reflexion auch so bestätigte. Solchermaßen aufgeschlüsselt, war die zuvor noch als hoch empfundene Arbeitsbelastung erträglich und wurde nun als machbar angesehen.

Eine Schieflage brachten die Hindernisse und Unterstützer. SysTeaming visualisierte deutlich, dass dem Team die Unterstützung aus der Region fehlt, viel mehr noch, dass einzelne Charaktere in der Region die Arbeit des Teams negativ beeinflussen. Mit diesen Ergebnissen konnte ich mit dem Team nun die weitere Beratungsarbeit beginnen und mit ihnen gemeinsam Strategien entwickeln, welche die Hindernisse abschwächen, und die Unterstützer weiter ausbauen, damit die Balance des SysTeamings und damit des gesamten Systems wieder hergestellt wird.

Dieses Teamcoaching war mein erster Kontakt in dieser Gruppe von Pfadfindern. Es entwickelte sich auch hieraus ein nachhaltiger Prozess. In weiteren Treffen und mit weiteren EOL-Methoden, aber auch im gemeinsamen Gespräch haben wir sukzessive die Arbeit, die Aufgaben und Ziele des Verbandes beleuchtet und für das Leitungsteam Klarheit für seine Arbeit herbeigeführt. Das Tool war auch in diesem Prozess der Türöffner und der Weg aus der Problemfokussierung hin zu lösungsorientiertem Handeln. SysTeaming machte den berühmten „Blick über den Tellerrand“ möglich.

Element im LernprojektBezug zur realen Welt
Figuren Unterschiedliche Zeiteinheiten und Aufgaben
Figuren Hindernisse und Unterstützer
Position der Figur auf dem Brett Höhe der Belastung durch die einzelne Aufgabe
Platte Bezugsrahmen für das Miteinander

Ein Ort für professionelle Trainingsmethoden? (Rüdiger Sweere)

Praxisbeispiel Tower of Power: Gruppenleiterausbildung I

Auch in der klassischen Ausbildung von Gruppenleitern setze ich METALOG® training tools ein. Diese Schulung unterliegt den Richtlinien zum Erwerb der Jugendleiter Card (JuLeiCa), eines bundeseinheitlichen Ausweises, der für Gruppenleiter und -leiterinne als Nachweis dient und ihre Qualifikation bestätigt. In einem Fall versuchten wir Kommunikation und Kooperation innerhalb und außerhalb von Teams abzubilden und ließen die Gruppe zwei Tower of Power3 bauen. Zeitgleich sollten zwei Tower getrennt voneinander an unterschiedlichen Bauplätzen entstehen, wobei sich das Materiallager der einen Gruppe jeweils am Bauplatz der anderen Gruppe befand. Es war vorhersehbar, dass die Gruppen einander ins Gehege kommen.

Zu Beginn arbeitete jede Gruppe, ohne besondere Rücksicht auf die andere Gruppe, konzentriert am eigenen Bauprojekt. Man schaute sich gegenseitig Arbeitsschritte voneinander ab und die ersten Klötze wurden schnell aufeinander gestapelt.

Bei einem Break wurden dann jeweils zwei Teilnehmer aus jedem Team ausgetauscht und es entwickelte sich eine unvorhersehbare negative Dynamik. Der ursprünglichen Aufgabenstellung lag die Idee zu Grunde, dass die Teams in ihrer neuen Konstellation Stärken und Schwächen sowie Kommunikationswege der „neuen Mitglieder“ erfragen und dadurch ihr eigenes Team stärken. Das ganze Gegenteil war der Fall: Die neuen Mitglieder wurden links liegen gelassen und ignoriert. Diese begannen nach und nach, ihre neue Gruppe zu sabotieren. Ein Reißen hier, ein Loslassen da – und schon fielen die Türme zusammen. Beim erneuten Aufbau begannen dann auch die restlichen Teammitglieder des ursprünglichen Teams mit der Sabotage der Arbeit der neuen Gruppe. Bausteine wurden gegenseitig umgestoßen und Wege versperrt. Die Stimmung zwischen den Gruppen wurde immer aggressiver und die Übung musste abgebrochen werden.

In der folgenden Besprechung wurde den Teilnehmern ihr Verhalten gespiegelt und miteinander nach möglichen Lösungsmöglichkeiten gesucht. Ein Teil der Gruppe sah in der Kritik einen Ansporn, das eigene Arbeitsverhalten zu ändern. Einige Teilnehmerinnen nutzten die Unterbrechung, ihren Frust loszuwerden, da ihnen von der männlich dominierten Gruppe im Übungsverlauf kein Gehör geschenkt worden war. Eine Einsicht, dass jedes Teammitglied angehört werden sollte und es eine geschlossene Gruppenleistung braucht, damit die Übung gelingen kann, gab es nicht. Die Teams drängten auf eine weitere Bauphase.

Im zweiten Durchgang baute eine Gruppe konzentriert und sehr erfolgreich an ihrem Turm und beendeten die Aufgabe in einer angemessenen Zeit. Die Teammitglieder harmonierten und kommunizierten gleichberechtigt miteinander. In der anderen Gruppe schienen einige Teilnehmer noch an der geäußerten Kritik zu hängen, lehnten sich gegen den Gruppenprozess auf, behielten ihre ablehnende, den Gruppenprozess störende Haltung bei. Wenig verwunderlich, dass diese Gruppe ihren Turm nicht fertig bauen konnte: Ein Teilnehmer verhinderte durch eine von der Gruppe nicht bemerkte ruckartige Bewegung die Fertigstellung und brachte den bis dahin gebauten Turm zum Einsturz. Diese Gruppe brach daraufhin die Übung ab und für mich begann ein sehr langer Aufarbeitungsprozess.

Bei allem, was in dieser Übung nicht funktioniert hatte – für mich war sie sehr lehrreich und sie hat auch eine starke Dynamik in der Gruppe angestoßen. Die Schwierigkeiten zwischen den weiblichen und den männlichen Teilnehmern blieben weiter bestehen und konnten erst zur Mitte der Veranstaltung beigelegt werden. Die Übung selbst gab aber für die Klärung eben dieser Schwierigkeiten in der Gruppe den entscheidenden Anstoß, da sich die Teilnehmerinnen erstmals offen gegen das Rollenverhalten der männlichen Teilnehmer stellten und danach ihre Position weiter verteidigten.

Element im LernprojektBezug zur realen Welt
Bauteile Aufgaben, die miteinander geplant und erledigt werden sollen
Schnüre Verbundenheit der Teilnehmer untereinander bei der Bewältigung der Aufgabe
Kran das gemeinsame „Pack an“
Sabotage der Gruppenarbeit Wusch nach gemeinsamen Scheitern, weil der einzelne Teilnehmer für sich selbst keinen Erfolg sieht, er sich in der Gruppen und in seiner Rolle unwohl fühlt

Ein Ort für professionelle Trainingsmethoden? (Rüdiger Sweere)

Praxisbeispiel Pfadfinder: Gruppenleiterausbildung II

Ein Jugendverband schickte seine Nachwuchsleiter zu einer Fortbildung zu mir. Zunächst wurden die Basics der JuLeiCa-Qualifizierung wiederholt und im eigentlichen Teil wurde ein besonderer Schwerpunkt auf das Miteinander-Agieren gelegt. Die Gruppenmitglieder sollten in verschiedenen Übungen unterschiedliche Rollen einnehmen (können) und ihr jeweiliges Verhalten reflektieren. Stärken und Schwächen galt es zu erarbeiten, damit zukünftig jeder eine Position im Team einnehmen kann, die er am besten ausfüllt und die den höchstmöglichen Output für das Team bringt

Beim eingesetzten Lernprojekt Pfadfinder4 gab es ein wirkliches Aha-Erlebnis für den Teamleiter dieser Gruppe. Er hatte innerhalb des Teams die führende Rolle, war Hauptorganisator der meisten Veranstaltungen und investierte viel Zeit und Energie in eine ehrenamtliche Tätigkeit

Die Aufgabe sah vor, dass die gesamte Gruppe von der einen Seite des Pfadfinders auf die andere wechseln sollte, wobei für die letzten drei Kästchenreihen ein Kommunikationsverbot galt. Jeder Teilnehmer war ab diesem Punkt auf sich allein gestellt.

Nun musste der Teamleiter als einer der Letzten das Pfadfinder Feld durchqueren. Zuvor hatte er immer mit Rat und Tat den anderen beigestanden, die Gruppe geführt, moderiert – er wurde seiner Leitungsrolle gerecht. Als er nun alleine im Feld stand und sich seinen Weg suchen musste, merkte er, dass ihm die Innenansicht der Problemlösung fehlte. Er hatte bisher das Spielfeld nur von außen gesehen, aus einer völlig anderen Perspektive. Er war auf die Unterstützung „seines Teams“ angewiesen, denn ohne Hilfe war er nicht in der Lage, den Weg allein zu beenden. Mithilfe der anderen Teammitglieder gelang es dann. Bei der folgenden Auswertung erkannte er, dass er seine Funktion, seine Leitungsrolle nur so erfolgreich ausführen konnte, weil ihn sein Team permanent und konsequent unterstützte und flankierte.

Die Übung Pfadfinder stellte die einzelnen Gruppenmitglieder vor eine große Herausforderung, denn alle mussten einen Teil dieser Gruppenübung ganz alleine absolvieren. Jeder Einzelne musste für einen Teil der Aufgabe alleinig die Verantwortung tragen. Das Versagen des Einzelnen hätte Konsequenzen für das gesamte Team gehabt. Das Team hatte aber die Aufgabe, vorab sicherzustellen, dass jeder Einzelne auf diese Situation auch vorbereitet wird.

Mit dieser Übung im Hintergrund strukturierte und plante die Gruppe ihre nächsten Veranstaltungen. Die Arbeitsverteilung berücksichtigte die Stärken-Schwächen-Analyse, welche die Teilnehmer nach der Übung Pfadfinder angefertigt hatten.

Wieder war es ein einfaches Tool gewesen, das den Funken zum Überspringen brachte: Das Bild der allein zu bewältigenden Aufgabe, die vom Team vorbereitet und begleitet wird und für die es nach erfolgreicher Durchführung auch viel Anerkennung gibt, half bei den folgenden Planungen, die Aufgaben so zu verteilen, dass jedes Teammitglied (s)einen passenden Teil übernahm.

Element im LernprojektBezug zur realen Welt
Spielfläche Gemeinsame Aufgabe, Umsetzung geplanter Gruppenaktivitäten
Spielfelder Unterschiedliche Entscheidungsmöglichkeiten zur Zielerreichung
Der „gemeinsame“ Weg mit Unterstützung durch das Team Gemeinsam abgesprochenes Vorgehen
Der eigenen Weg ohne Unterstützung durch das Team Gemeinsam geplante, aber von einzelnen durchgeführte und verantwortet Aufgaben

Fazit

Nach meiner Erfahrung mit EOL-Trainingsmethoden lohnt sich ihre Anwendung im Besonderen in der kirchlichen Jugendarbeit und in der Arbeit mit Non-Profit-Organisationen. EOL wirkt in der Zusammenarbeit mit ehrenamtlichen Kräften grandios, sie sind einfach begeistert. Teilweise empfinden sie schon den Einsatz dieser hochwertigen Tools als Wertschätzung, da sie sonst nicht auf Material dieser Qualität zugreifen können oder dürfen. Sinnzusammenhänge aus der ehrenamtlichen Tätigkeit in die Tools zu übertragen (oder andersherum) und diese Zusammenhänge auf diese Weise anders und neu zu betrachten, setzt viel Energie frei. Der Alltag von ehrenamtlichen Teams verhindert mitunter solche Entwicklungen und starre Strukturen lassen häufig nur wenig Raum für Veränderungen.

Die in den Ehrenamtlichen noch schlummernden Potenziale brechen durch die Tools auf und beleben die Prozesse neu. Aber auch verborgene Konflikte werden sicht- und begreifbar und Schritte zu ihrer Lösung können so erarbeitet und eingeleitet werden. Darüber hinaus nehmen die Ehrenamtlichen noch einen besonderen Nutzen mit: Sie können das Erlebte auch auf andere Situationen anwenden, was besonders für den Beruf gilt.

Beratungsarbeit in der kirchlichen Jugendarbeit ohne Tools und deren Inszenierung kann ich mir nicht mehr vorstellen.

Über den Autor

Rüdiger Sweere, Jahrgang 1972, Dipl.-Sozialarbeiter, arbeitet seit über 15 Jahren in der Abteilung Jugendseelsorge im Erzbistum Köln. Er ist seit 2010 zertifizierter EOL-Trainer und seit 2012 Cooperations Facilitator.

Als Fachbereichsleiter für territoriale und verbandliche Jugendarbeit in der Katholischen Jugendagentur Bonn gGmbH begleitet und berät er mit seinem Team ehrenamtliche und hauptberufliche Gruppen und Verbände und hilft so dabei, die kirchlichen Grundlagen der Jugendpastoral mit umzusetzen. Die Fragestellungen innerhalb der Beratungsprozesse sind sehr breit gefächert und reichen von kreativer Themenfindung bis hin zu verfestigten Kommunikationsstörungen innerhalb von Mitarbeiterteams.